"auch" eine Rezension



Fünf Jahre sind vergangen, seit dem letzten Studioalbum der Ärzte aus Berlin, mit „auch“ steht nun mittlerweile das zwölfte „offizielle“ Studioalbum der besten Band der Welt in den Plattenläden und dieses habe ich mir vor ein paar Tagen mal zugelegt. Eines muss man den Ärzten schon mal abgesehen von der Musik lassen: In der Gestaltung ihrer CD-Behältnisse macht ihnen so leicht keiner was vor. In dem Schächtelchen enthalten ist ein Gesellschaftsspiel mit Drehscheibe, die nebenbei auch als Tonträger fungiert, für 0-3 Spieler von 6-66 Jahren.
Nun aber zur Musik. Farin Urlaub eröffnet die Platte mit den Worten „Fick dich und deine Schwestern“. Der Opener „Ist das noch Punkrock?“ macht wirklich Spaß und der Ein oder Andere kann sich hier wohl schon das Grinsen nicht verkneifen: Die Ärzte sind wieder da! Bisschen was mit Herz, bisschen was mit Witz und der Punk darf natürlich auch nicht fehlen – läuft. Farin schafft es auf wundersame Weise sowieso immer, dass mir seine Songs sofort sympathisch sind. Bela B. thematisiert im folgenden Song „Bettmagnet“ das Pärchenkoma. Musikalisch okay, wenn auch nicht allzu viel drinsteckt, kommt mir leider bisschen vor wie schon mal gehört. Rod’s erster Song auf der Platte brauchte eine Weile um mich rumzukriegen, wie - nebenbei bemerkt - auch die anderen Rod-Songs auf dem Album, aber bei genauerem Hinhören bemerkt man den großartigen Musiker der hinter den Werken steckt. Doch den Award für die besten Songs der Platte kriegt definitiv Farin. Auch sein zweiter Song „TCR“ geht einem sofort ins Ohr die Strophen grooven, der Chorus erinnert vielleicht bisschen an den Opener, aber ist erlaubt und dazu kommt noch eine kleine Reise durch mehrere verschiedene Musikstile am Schluss. Sehr schön.
Bela ruft in „Das darfst du“ mal wieder zum „Meinung sagen“ und „Querstellen“ auf. Im Chorus fehlt mir etwas die letzte Entschlossenheit, ansonsten solider Song. Rod singt in „Tamagotchi“ von seiner Liebe zum, wer hätte es gedacht, Tamagotchi, inklusive Glockenspiel und 8 Bit Gitarrensound. Ob „wir müssen echt mal wieder speaken, du bist doch mein kleines Küken“ so ein schöner Reim ist, darüber lässt sich streiten, aber Die Ärzte dürfen das. „M&F“ vom Farin kriegt man dann so schnell eh nicht mehr aus dem Kopf, schöne Streichereinwürfe, verrückter Beat im Chorus und ein Statement, dass sich einige vielleicht mal zu Herzen nehme könnten: „Manche Männer lieben Männer, manche Frauen eben Frauen da gibt’s nix zu bedauern und nix zu staunen, das ist genauso normal wie Kaugummi kauen.“ Das Thema „Männer und Frauen“ ist und bleibt eben immer interessant. Bela „hängt jetzt mit Künstlern rum“ und fährt dazu erst mal ein riesiges Synthie-Aufgebot an. Wem’s gefällt … So ganz ist der Song leider nicht meins. Rod schafft es in „Angekumpelt“ eine Strophe zu schreiben, die schneller ins Ohr geht als der Chorus, muss man auch erst mal hinkriegen. Musikalisch gefällt’s mir trotzdem ganz gut, über Sätze wie: „du willst Freunde adden, ich bin heut dein Armageddon“ … naja, ihr wisst ja …! Ich nehme, wohl zu Recht an, dass sich die drei über einen Reim wie diesen im Studio tierisch einen abgelacht haben um ihn uns dann um die Ohren zu trällern. Wie gesagt, Die Ärzte dürfen das.
„Waldspaziergang mit Folgen“ ist, obwohl das Gitarrenriff ganz cool und der Basslauf wirklich sehr schön anzuhören ist, der einzige Song von Farin Urlaub, der bei mir irgendwie so gar nicht will. Naja, die wenigsten haben eben „einen Gott im Regal“.
„Fiasko“ ist dafür wieder ein wirklich großartiges Stück aus dem Leben gegriffen, in dem es um das Ausbleiben der richtigen Worte beim Ansprechen des Schwarms geht, haben wir alle schon erlebt. Songs dieser Sorte ziehen bei mir irgendwie einfach immer. „Miststück“ ist meiner Meinung nach Bela’s bester Song auf der Platte. Mir gefällt, die Dynamik die durch die Instrumentierung geschaffen wird sehr gut. Die Akzente die dadurch gesetzt werden, machen den Song wirklich interessant und bei Sätzen wie „wärst du ein Eis, dann eins das schmilzt“, musste ich wirklich auch mal wieder grinsen. „Das finde ich gut“ von Rod finde ich nicht so gut. Zu belangloses Gitarrengeschrabbel, auch wenn manches doch ganz gut gelungen ist, wie beispielsweise der mehrstimmige Gesang, mein Lieblingssong wird’s nicht. „Cpt. Metal“ ist dafür wohl der beste Metalsong der seit Jahren in Deutschland geschrieben wurde, mit Gitarrensoli von welchen sich die Ein oder Andere Metalgröße noch eine Scheibe abschneiden könnte. Auch „Die Hard“ gefällt mir. Der Kontrast zwischen Strophe und Chorus ist echt fett, auch wenn das „Ich bewerfe dich mit Wattebällchen“ vielleicht schon etwas ausgelutscht erscheint.
Wir nähern uns dem Ende und somit auch dem Anfang, denn der letzte Song, war die erste Single-Auskopplung aus „auch“ namens „zeiDverschwÄndung“. Ich muss zugeben, dass der Song mir etwas Angst gemacht hat, als ich ihn zum ersten Mal im Vorfeld des Albums gehört habe, weil ich ihn echt nicht so überragend fand. Er hat aber immerhin eine hübsche Portion Die Ärzte-Selbstironie für die wir sie ja eigentlich alle so sehr lieben. Ansonsten geht in dem Song leider nicht allzu viel.
Abschließend würde ich sagen, Die Ärzte bringen mit „auch“ eine gute Platte. Was fehlt sind leider die Knaller-Songs. Aber trotzdem gehört die beste Band der Welt aus Berlin immer noch zum Besten was die deutsche Musikindustrie zu bieten hat. Und seien wir mal ehrlich, mittlerweile fast 30 Jahre lang so viele (um die 300) großartige Songs zu schreiben und trotzdem noch abwechslungsreich und kreativ zu klingen muss ihnen wirklich erst mal einer nachmachen.
Für mich sind und bleiben sie eine ganz besondere Band, die mich durch meine gesamte Jugend begleitet haben, die mir die Welt erklärten und mit deren Songbook ich mir das Gitarre spielen beibrachte.


Wohl ist nach der nun anstehenden Tour eine Auszeit auf unbestimmte Zeit angekündigt, doch ich glaube nicht, dass dies das letzte Lebenszeichen war, welches wir von den Ärzten zu sehen bzw. zu hören kriegen.
(ds)

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